Monatsimpuls für November 2025
... erinnerst du dich, wie du aufgewachsen bist, wieviel sich seither verändert hat, wieviel du schon geschafft und bewegt hast​ ... das ist unser Leben mit all seinen Erinnerungen ;-)
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Erinnerungen
Man nennt uns die Generation Dazwischen.
Wir sind die letzten Kinder, die draußen spielten, bis die Straßenlaternen angingen. Unsere Namen hallten durch die Straßen, wenn Mütter uns zum Abendessen riefen.
Wir sind die Kinder mit aufgeschürften Knien, Kassettenrekordern und ruhigen Sonntagen.
Wir sind die Brücke.
Geboren zwischen etwa 1955 und 1985, aufgewachsen in einer Welt, die sich noch mit der Geschwindigkeit eines Fahrrads drehte, nicht eines Breitbandanschlusses.
Wir wussten, wie man sich langweilt.
Und in dieser Langeweile lag etwas Magisches.
Wenn es regnete, saßen wir auf dem Teppich und hörten das leise Knistern einer Schallplatte, bevor die Musik begann.
Wir sahen den Regentropfen beim Rennen über die Fensterscheibe zu, das war unser High Definition.
Unsere Nachmittage gehörten einem Ball, ein paar Freunden und einem Stück Gehweg.
Wir bauten Höhlen aus Decken und Kartons, fuhren auf Bonanza-Rädern, die Knie voller Pflaster, das Herz voller Geschichten.
Wir sind die letzte Generation, die den süßlich-chemischen Geruch des Spiritusduplikators kennt – der Duft von Schulaufgaben und Elternbriefen.
Unsere Hefte trugen Eselsohren, und der Füller hinterließ kleine blaue Monde in den Rändern.
Wir kannten das Warten.
Wir schrieben Briefe, auf richtigem Papier, mit Tinte.
Wir falteten sie, steckten sie in Umschläge, leckten die Marke an und warteten. Tage, manchmal Wochen.
Und wenn die Antwort kam, lasen wir sie wieder und wieder, bis wir jedes Wort auswendig wussten.
Wir telefonierten an der Wand, mit Kabel.
Wenn wir jemanden anrufen wollten, mussten wir zuerst höflich mit den Eltern sprechen.
Wir kannten Telefonnummern auswendig – ein kleines, geheimes Gedächtnis unserer Freundschaften.
Wir sind die Generation der Musik.
Wir saßen stundenlang am Radio, die Finger über „Record“ und „Play“, um unseren Lieblingssong ohne das Gerede des Moderators zu erwischen.
Jede Kassette war ein kleines Kunstwerk. Ein Liebesbrief in Tönen.
Wir wuchsen auf mit Vertrauen, nicht mit Passwörtern.
Freunde standen vor der Tür, sie schrieben keine Nachricht: „Bin da.“
Wir kannten unsere Nachbarn. Türen blieben unverschlossen.
Dinge durften kaputtgehen und wurden repariert.
Wir flickten Hosen, schraubten Toaster auf und gaben Beziehungen eine zweite Chance.
Wir sahen den Wandel.
Schwarz-Weiß wurde Farbe. Drei Programme wurden zu vielen.
Wir spielten Pong, tippten auf dem C64 und hörten das Kratzen eines Modems, das uns in eine neue, unsichtbare Welt führte.
Wir lernten, auf Tastaturen zu schreiben, aber unsere Unterschrift stammt noch aus dem Schreibunterricht mit Füller.
Wir wissen, was „die Cloud“ ist, aber in unseren Schuhkartons liegen Fotos mit handgeschriebenen Daten auf der Rückseite.
Heute sehen wir Kinder, deren Gesichter vom Licht der Bildschirme leuchten und fragen uns manchmal leise, was sie wohl verloren haben, während sie alles andere gewonnen haben.
Manchmal vermissen wir diese Langsamkeit, ohne es zu sagen.
Nicht, weil alles damals besser war,
sondern weil wir Zeit hatten, das Leben zu spüren, bevor es weiterlief.
Wir sind die Generation der echten Gespräche.
Von Küchentischen, die nach Kaffee und Zigaretten rochen.
Von Münztelefonen, Butterbrotdosen und langen Sonntagen ohne Eile.
Wir haben gelernt, dass Glück keinen Filter braucht.
Dass Nähe kein WLAN-Signal ist, sondern ein Blick.
Dass Erinnerungen nicht auf Servern liegen, sondern in uns.
Die Welt ist schneller geworden. Greller. Lauter.
Und manchmal kälter.
Aber in uns bleibt die Ruhe.
Wir sind die Brücke zwischen Gestern und Heute.
Wir sind die Übersetzer.
Man sieht in uns vielleicht die Vergangenheit,
doch wir sind die Anker. Wir erinnern uns an das Warum.
Die Vergangenheit war nicht perfekt.
Aber sie war echt.
Und das ist eine Erinnerung, die es wert ist, bewahrt zu werden.
Und wir waren dabei.
Das hier ist kein Rückblick; es ist eine Erinnerung an uns.
An eine Zeit, in der das Leben langsamer war und die Welt noch nach Regen, Gras und Schulkreide roch.​
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Monatsimpuls für Oktober 2025
... wie oft sind wir unachtsam, sehen und hören unser gegenüber nicht wirklich, weil irgendetwas wichtiger ist ... wie oft lassen wir uns wirklich ein ... auf unser Gegenüber und auf uns selbst :-)
Eine Lehrerin saß an ihrem Schreibtisch und korrigierte Aufsätze ihrer Schüler.
Ihr Mann saß im selben Raum, völlig vertieft in sein Handyspiel.
Als sie beim letzten Aufsatz ankam, verstummte sie plötzlich.
Dann begannen leise Tränen über ihr Gesicht zu laufen.
Ihr Mann schaute besorgt auf und fragte:
"Was ist passiert?"
Mit zitternder Stimme antwortete sie:
"Ich habe die Kinder gebeten, einen Aufsatz über das Thema 'Mein größter Wunsch' zu schreiben.
Und jetzt, wo ich diesen lese, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten."
"Was steht da drin?", fragte er vorsichtig.
Sie holte tief Luft und begann zu lesen:
„Mein Wunsch ist es, ein Smartphone zu sein.
Meine Eltern lieben ihre Handys mehr als mich.
Wenn mein Vater müde von der Arbeit nach Hause kommt,
hat er trotzdem noch Energie, auf sein Handy zu schauen – aber nicht auf mich.
Wenn das Telefon klingelt, reagieren sie sofort.
Aber wenn ich weine, hören sie mich oft nicht.
Sie spielen mit dem Handy, aber nicht mit mir.
Wenn sie telefonieren, hören sie nicht zu – nicht einmal, wenn ich etwas Wichtiges sage.
Deshalb will ich ein Smartphone sein."
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Der Mann war wie versteinert.
Tränen traten ihm in die Augen.
"Wer hat das geschrieben?", flüsterte er.
Und seine Frau antwortete leise:
"Unser Sohn."
(Verfasser unbekannt)
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Monatsimpuls für September 2025
... wie oft vergessen wir, dass wir nicht alleine sind, dass es Menschen gibt, denen wir wichtig sind, die für uns da sind, wenn wir sie brauchen ... wie oft vergessen wir, wie wichtig ein Miteinander ist, sich gegenseitig zu unterstützen ... wir müssen nicht alleine gehen ...

Gestern Abend habe ich versehentlich eine Wasserflasche offen gelassen. Am nächsten Morgen bemerkte ich, dass Dutzende von Ameisen hineingefallen waren. Sie zitterten auf der Wasseroberfläche und klammerten sich ans Leben.
Auf den ersten Blick sah es aus, als würden sie sich gegenseitig nach unten drücken, um selbst zu überleben. Das Bild störte mich, und ich ging weg.
Einige Stunden später schaute ich noch einmal nach – und was ich sah, erschütterte mich zutiefst.
Die Ameisen lebten noch.
Sie hatten eine lebendige Pyramide gebildet: Die unteren trugen die oberen.
In aller Ruhe wechselten sie ihre Positionen. Keine Panik. Kein Chaos.
Niemand versuchte, sich selbst zuerst zu retten.
Jede Ameise schien bewusst dorthin zu gehen, wo es am schwersten war – um andere zu stützen.
Ich war tief berührt von dieser stillen Form der Zusammenarbeit.
Vorsichtig tauchte ich einen Löffel ins Wasser. Eine nach der anderen kletterten die Ameisen hinauf und entkamen.
Doch als eine gerade dabei war, sich in Sicherheit zu bringen, rutschte sie aus und fiel zurück.
Was dann geschah, bewegte mich mehr als jeder Film es je könnte:
Die letzte Ameise – bereits in Sicherheit – drehte sich um,
sprang zurück ins Wasser und umarmte die Gefallene.
Gemeinsam, mit meiner Hilfe, kletterten sie wieder hinaus – lebendig. Gemeinsam.
Ich stand da, demütig. Und irgendwie beschämt.
Denn wir Menschen vergessen so oft, zu helfen.
So selten kehren wir zurück, um jene zu retten, die zurückgeblieben sind.
Wahre Stärke liegt nicht darin, allein aufzusteigen.
Sie liegt in der Einheit. Im Miteinander. Im Nicht-Zurücklassen.
Und wenn wir je vergessen, wie man mit Würde lebt – dann
ist es vielleicht an der Zeit, von den Ameisen zu lernen.
Von Steffen Siegler
